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„Am Anfang haben sie mich ausgelacht“ – BerlinGrill-Eigentümer Cetin Tasdemir

Nachteule-Tabitha
25.10.2019

Cetin Tasdemir ist spät auf. Vielleicht halten ihn die Lichter wach, die durch die geschlossenen Vorhänge ins dunkle Zimmer tanzen und wieder verblassen, sobald das Auto unten auf der Straße um die nächste Ecke biegt, vielleicht auch die Geräusche, die es dabei macht. Berlin ist eine Stadt, die nicht schläft – genauso wenig wie die Gedanken von Cetin Tasdemir.

Berlin ist ihm längst nicht mehr fremd. Eigentlich kommt er aus Sigmaringendorf, die Gastronomie hat er aber in der Hauptstadt kennen und lieben gelernt, etwa als Mitarbeiter in einem großen Catering-Betrieb, der selbst bis in die Gebäude des Deutschen Bundestags geliefert und die ansässigen Politiker mit Delikatessen versorgt hat. Genug Gelegenheit für Tasdemir um zu begreifen, worauf es in der Gastronomie ankommt.

Aber in Berlin kann Tasdemir nicht bleiben. Seine Eltern sind im Süden in Sigmaringendorf auf ihn angewiesen, brauchen seine Hilfe. Was er braucht, ist einen neuen Plan, der in so mancher schlaflosen Nacht ausgetüftelt werden muss. Irgendetwas, das steht für ihn fest, wird er anfangen. Und dann kommt ihm etwas zu Hilfe: der Leerstand eines Ladenlokals zwischen dem Backhaus Mahl und dem Norma in Sigmaringendorf. Für Tasdemir die Möglichkeit, einen Neubeginn zu wagen, seine eigene Gastronomie zu eröffnen - auch wenn die Startbedingungen nicht ganz einfach erscheinen.

Wenige Meter und Straßenwindungen entfernt von dem leerstehenden Lokal befindet sich der „Star“-Kebab, der in Sigmaringendorf und weit über die Ortsgrenzen hinaus ein großes Ansehen genießt. Ein weiteres herkömmliches Imbiss-Restaurant dieser Art würde es womöglich sehr schwer haben, sich auf dem Markt zu etablieren und dauerhaft genügend Kunden anzuziehen. Diese Tatsache ist Tasdemir bewusst – und auch seinem Buchhalter, der ihn von Köln aus in seinem Betrieb unterstützen will. Seine Idee ist so simpel wie konkret: es muss etwas sein, das in Sigmaringendorf einzigartig ist, und das ist vegetarische und vegane Kost. Selbstverständlich haben auch andere Restaurants rein pflanzliche Mahlzeiten auf der Speisekarte stehen. Aber wohl kaum einer kann einen veganen Dönerspieß aufweisen oder eine mehrzeilige Auswahl verschiedener Burger, in denen von Fleisch oder gar Käse keine Spur zu finden ist.

„Am Anfang haben sie mich ausgelacht.“ Tasdemir lacht bei der Erinnerung, fügt aber ernst hinzu: „Dazu sage ich: wenn man sich nicht auskennt, sollte man nicht darüber reden.“ Er wiederum kennt sich aus. Mit der Idee springt er auf, auf den Trend, der sich seit einigen Jahren in Deutschland wie weltweit fortsetzt. Gab es laut dem Vegetarierbund Deutschland e.V. 2013 noch 113 vegane Gastronomiebetriebe bundesweit, sind es im Jahr 2016 bereits 161 davon – Tendenz steigend. Von den Visionen seines Buchhalters überzeugt, eröffnet Cetan Tasdemir im März 2017 den BerlinGrill im Herzen von Sigmaringendorf. Neben dem vegetarischen und veganen Angebot kommen dort auch Fleisch-Liebhaber auf ihre Kosten. Der Name „BerlinGrill“ ist Programm, denn all das, was er in seiner Zeit in Berlin über die Qualität von Speisen gelernt hat, will er nun zurück in die Heimat bringen. Der Dönerspieß, der sich im Hintergrund unaufhörlich dreht, ist dafür das beste Beispiel. Das Fleisch stammt tatsächlich aus Berlin, von seinem ehemaligen Betrieb, weil er weiß, dass dessen Qualität hoch ist.

„Überall gibt es große Probleme, was die Qualität des Fleisches betrifft. Hühnchen-Fleisch gerät immer mehr in die Kritik, weil es teils stark hormonell belastet ist.“ Das wolle er hier nicht verkaufen, nicht an die Leute bringen. „Es reicht bereits ein Blick auf den Dönerspieß.“ Erklärt er. Je nach Farbe und Konsistenz könne man schnell erkennen, ob es sich um pures, reines Fleisch handele, oder ob dem noch eine Menge an Fett und anderen Beimitteln zugefügt wurde. Ein Phänomen, das bei Billigfleisch und dem verarbeiteten Produkt für wenige Euros häufig der Fall ist. So ist der Döner im BerlinGrill vielleicht teurer als anderswo, dafür aber qualitativ hochwertig. „Wenn ich etwas mache, dann mache ich etwas Gutes“, stellt Tasdemir mit einem Schmunzeln klar. Dass er etwas Gutes macht – das sieht man. Die Arbeitsbereiche von Fleisch und Veganem beziehungsweise Vegetarischem sind streng voneinander getrennt.

Mit einer langen Verkaufstheke, etwa vier Tischen und einem Fernseher, an dem auch gerne einmal ein WM-Spiel übertragen wird, wurde aus dem kleinen schmalen Lokalraum das Maximum herausgeholt. Über dem Fernseher hängt ein Panoramabild mit dem Fernsehturm als Mittelpunkt, eine Erinnerung an die so prägende Zeit in Berlin. Ungefähr so fühlt es sich auch an, im BerlinGrill Essen zu gehen – als befände man sich im Zentrum einer Stadt voller Möglichkeiten. Das Angebot für Veganer, Vegetarier und – salopp ausgedrückt – Allesesser ist schier unendlich. Von Lahmacun, Salat, Pommes, Kebab und Falafel über Pizza und Döner bis hin zu Burger aller Art gestaltet sich die Entscheidung äußerst schwierig. Diese Auswahl ist ungewohnt, denn trotz der steigenden Anzahl an vegetarischen und veganen Gastronomiebetrieben gestaltet sich die Suche nach rein pflanzlichen Mahlzeiten zumindest hierzulande nach wie vor schwierig. Entsprechend bekannt ist der BerlinGrill auch über die Orts- und Landkreisgrenzen hinweg. „Wir haben hier Veganer und Vegetarier, die aus Villingen-Schwenningen anreisen, aus Ravensburg und sogar Friedrichshafen. Die kommen und sagen, dass sie davon gehört haben und unbedingt einmal selbst probieren wollen.“

Aber nicht nur Menschen, die sich schon zu einer rein pflanzlichen oder fleischlosen Ernährung entschieden haben, finden den Weg in das Lokal. Auch viele andere sind neugierig, wollen sich einmal auf das Abenteuer vegan einlassen, und sei es nur für die eine Stunde in Tasdemirs Lokal. Wer sich so gar nicht dafür begeistern kann, kann immer noch auf das fleischhaltige Angebot zurückgreifen. Der Selbsttest, den ich mit meiner besten Freundin, die keine Vegetarierin oder ähnliches ist, durchführe, ergibt: wir sind beide restlos begeistert. Sie, weil sie bei dem Verzehr ihres veganen Lahmacun gar nicht gemerkt hat, dass das Fleisch fehlt. Und ich, weil ich als Vegetarierin hier zum ersten Mal nicht das Problem habe, dass ich fast gar nichts zu essen finde, sondern so viel, dass ich mich fast nicht entscheiden kann. Am Ende wird es der „Vegane Rösti Burger“, und was soll ich sagen: ich kann ihn auf jeden Fall weiterempfehlen!

Weil dieser Satz vermutlich schon oft gefallen ist, ist der Andrang entsprechend groß. Am Wochenende verfügt Tasdemir glücklicherweise über eine Hilfe in der Zubereitung, aber unter der Woche stemmt er das Restaurant sowie den Lieferdienst alleine. „Die Personalsuche gestaltet sich mitunter extrem schwierig. Selbst wenn es nur um einen Lieferdienst als Minijob geht.“ Doch auch im Stress, wenn viele Kunden warten, bewahrt Tasdemir seine Ruhe. „Ich mache mir da keinen Stress. Es kommt einer nach dem anderen dran.“ Damit seine Gerichte die Qualität haben, die er sich wünscht, braucht es Zeit und Ruhe. Die nimmt er sich. „Meine Kunden sehen ja, dass ich daran arbeite. Sie warten dann auch gerne.“

In den BerlinGrill zu kommen ist eine bewusste Entscheidung, keine schnelle Zwischenoption. „Schnell schnell, das kann ich einfach nicht“, sagt Tasdemir. Vielleicht bildet er damit eine kleine Gegenbewegung zu den großen Fast Food Ketten, bei denen vor allem Effizienz, günstige Preise und Flexibilität im Vordergrund stehen. Ein Besuch im BerlinGrill ist dagegen ein zur-Ruhe-kommen, ein sich-einlassen und genießen. Möglich ist das jeden Tag von 11 bis 22 Uhr.

Aus einer schlaflosen Nacht in Berlin wurde eine zündende Geschäftsidee – und ein bisschen bunte Großstadt, mitten in Sigmaringendorf.

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